RPG-Blog-O-Quest #20: RollenBrettSpiel Teil 1/2

Spiele im Kopf übernimmt in diesem Monat die Fragerunde zur Blog-O-Quest und geht in die zwanzigste Runde. Da die Antwort auf die erste Frage echt lang wird – und hoffentlich interessant, habe ich mich zur Zweiteilung entschieden.

1. Hast Du bereits ein Brettspiel gespielt, dass Dir ein vergleichbares Erlebnis wie ein Rollenspiel vermittelt hat?

Ja, z.B. bei Shadows of Brimstone. Elf Punkte hab ich für mich identifiziert, die Spaßquellen beim Rollenspiel {für mich} sind und vergleiche mal mit einigen meiner typischen Runde Online-DnD/Dungeonslayers/Fiasko/Fate Mindjammer. Als Ausgang: Shadows of Brimstone ist in kooperativer Dungeoncrawler in einem Horror-Westernsetting mit Charakteren für die man einen Namen wählt, sie über Personal Items und einer Subklasse individualisiert, man rollenspieltypische Werte wie Attribute, Wunden, Verteidigung hat und mit Stufenentwicklung auch Langzeitentwicklung verspricht.

Geselligkeit. Das Zusammensitzen mit Freunden, quasi die Motivation für Casual Gamer, klappt bei beiden gleich gut. Zudem ein Grund warum ich mich noch nicht wirklich für das Spielen über Netz begeistern kann – mit vier Freunden am Tisch ist für mich immer noch das nonplusultra. {SoB 1/ Online DnD 0/DS 1/Fiasko 1/ Fate 1}

Kooperation. Ich mag es gemeinsam mit der Gruppe an einem Ziel zu arbeiten. Klar gibt es mehr als ein RPG, wo Spieler gegeneinander spielen, ich persönlich mag diesen Aspekt ziemlich. Deswegen fahre ich auch auf organisiertes Spiel in der Pathfinder Society oder der DnD Adventures League. Shadows of Brimstone punktet hier insbesondere weil alle kooperativ gegen das Brett spielen, meine DnD online-Runde bekommt nur nen halben Punkt, da sie sehr gern auseinanderstrebt und sich Spotlights klaut {nein, ich bin nicht SL} Auch bei Fate ist die Kooperation nicht voll ausgeprägt gewesen. Fiasko bekommt hier auch nur einen halben, weil man als Spieler kooperiert, aber nicht im Spiel. {1,5/0,5/1/0,5/0,75}


Nicht-lineare Charakterentwicklung. Ja, ich will EP, Stufen, neue Fähigkeiten. Ich mag es aufzusteigen. SoB macht das sehr gut: einerseits wähle ich eine neue Fähigkeit aus einem Chart aus, wo es vier Pfade mit vier Stufen gibt. Bin ich viermal aufgestiegen könnte ich z.B. einen Pfad komplett haben oder jeden auf der ersten. Oder zwei auf den zweiten etc. Dazu wird auf jeder Stufe ein 2W6 gewürfelt und jede Klasse hat dann für jedes Ergebnis andere Boni. Da ich Zufall mag und auch wenn sich Charaktere anders entwickeln, gibt es hier wieder einen Bonus. Fate bietet relativ langsamen Aufstieg, Fiasko ist immer ein Oneshot. {1,5/1/1/0,5/0}

Herausforderung/Tod. Die Kämpfe bei SoB sind oft zu wenig herausfordernd, der Tod ist selten, aber möglich. Zwei Tote hab ich bei etwa dreizig Spielen erlebt, gibt noch nen halben Punkt. DnD und DS unterstützen klar für herausforderungsorientierte Spielweisen, auch der Tod ist nah. Bei Fiasko ist der Tod zwar nah, aber ohne Herausforderung auf Ebene des SC. Die Herausforderung ist da mehr auf Spielerebene, jetzt nen interessanten Kniff hinzubekommren. Auch Fate konnte mich nicht wirklich herausfordern. {0,5/1/1/0,25/0,25}

Taktischer Kampf. SoB hat eher einen größeren Glücksfaktor {Taktik liegt oft eher im Ausrüsten}, trotzdem ermöglichen die Figuren genaues Positionieren etc. Bei Fate fühlte sich der Kampf weniger taktisch an, die Kreativität hat aber durchaus Spaß gemacht. Das Zonensystem ähnlich wie bei Star Wars oder Warhammer 3. Fiasko und Kämpfen… Ja. Ist so wie bei BRP Cthulhu, dafür hätte ich auch keinen Punkt rausgerückt ;)  {0,5/1/1/0,5/0}

Glück/Kaputt Würfeln/Buttkicker. Ich gehöre ja zu den Personen, die sowohl an Taktik, wie auch an Glück Spaß haben. Als Schurke hatte ich mich neulich in einer Kiste versteckt, in die eigentlich eine Elfe eingesperrt war und als die Entführer dann kamen und ich einen dazu brachte reinzulinsen und ihm das Rapier durch den Kopf trieb, hatte ich nicht die nächsten drei Tage gute Laune. Bei DCC Whiterock hab ich mal mit einem Doppelkrit einen fast verlorenen Kampf gerettet. Sowas mag ich.Bei SoB ist es ebenfalls einfach schön, innerhalb weniger Runden eine halbe Tabletoparmee vom Brett entfernen zu können, DnD und DS mit Krits, Immersiegen und Slayenden Würfeln haben da auch schöne Mechaniken, nur Fate und Fiasko sind keine Buttkicker. {1/1/1/0/0}

Rätseln. Das ist ein Aspekt, den SoB nicht hat, den andere Brettspiele wie die unten erwähnten Exit Games besser können. Aber auch Warhammer Quest hat es z.B. mit eingebaut. Fate Mindjammer war jetzt nicht das typische mit Rätseln gespickte Setting, Fiasko hingegen hat es nicht und ein Rätselkampf a la Gollum vs Frodo würde vermutlich eher erzählerisch abgehandelt, als jetzt selber etwas zu enträtseln. {0/1/1/0,5/0}

Exploration/Sandboxing. Das Standard-Abenteuer bei SoB ist komplett zufallsbestimmt über Karten, was das Explorieren spannend und das gleiche Abenteuer nochmal gespielt völlig anders. Mittlerweile gibt es eine von Fans geschriebene Hexcrawlkampagne, die kaum Wünsche offen lässt und einer RPG-Hexcrawl-Kampagne in diesem Punkt in nix nachsteht. Unsere DnD-Runde war auf Sandboxing ausgelegt, DS sowieso {ich nenn mal Slay No. 1}. Fate Mindjammer kann als riesige Sandbox verstanden und genutzt werden, bei Fiasco ist das nur schwer möglich. Man könnte es zwar thematisieren, realisiert es dann auf Metaebene. {1/1/1/1/0}

Regeln. Ja, ich habe Spaß elegante Mechanismen in Aktion zu sehen. SoB hat hier einiges, was mir gut gefällt, z.B. die Ausbalancierung der SC trotz unterschiedlichster Mechaniken, von denen gleich einige glänzen können. Insbesondere aber die Regeln, um SL-los spielen zu können. Im Spiel sind das dann eher die Regeln zum Wunder wirken des Priesters {sehr elegant}, Mutationen, Krits, Sondereffekte von Monstern und SC. Bei DnD mag ich die Vor-und Nachteilsmechanik in Aktion, die Aufteilung der Klassenidentität auf die ersten drei Stufen {was das Classdipping, was in 3E noch beliebt war und Multiclassing unattraktiver macht, aber nicht verbietet}. DS gefällt mit seiner einfachen Mechanik, den eleganten Kniff bei Abwehr und Verteidigung und das man mit einem Wurf auskommt. Ingame bin ich ein Freund von Slayyerpunkten, die viel Taktik ermöglichen – dazu kommt ein Artikel in Slay 3. Auch Fate kann hier voll punkten, Fiasko ist innovativ und kann mit den Regeln selbst punkten, aber nicht mit einer Regelanwendung innerhalb des Spiels. {1/1/1/1/0,5}

Interaktion im rechten Maße. Zuviel trägt hier auch nicht zur Spielfreude bei, wenn sie nicht von anderen Elementen begleitet wird. Ansonsten geniesse ich Gespräche mit SC und NSC im allgemeinen. Das fällt by the book bei SoB weg, auch wenn es durchaus anflanschbar wäre. Online-DnD bekommt hier nur 0,5 Punkte, weil zwar die verbale Kommunikation läuft, aber Mimik und Gestik wegfallen {bei unserer Runde}. Und bei einer großen Runde auch immer Gesprächsdiziplin notwendig ist, was am Tisch ganz natürlich passiert. Bei Fiasko wird – jedenfalls bei uns – eher in dritter Person beschrieben statt direkt interagiert {was ich ausdrücklich schätze bei Einkäufen und -Tavernenbesuchen}. {0/0,5/1/1/0,5}

Immersion. Absichtlich am Schluß aus zwei Gründen. Für manche ist es die größer, vielleicht einzige Spaßquelle {so klingt es für mich jedenfalls gelegentlich}. Für mich ist es nur eine von mehreren Spaßquellen, zum anderen reicht mir da oft recht wenig, um mich in die Rolle zu versetzen. Bei Beschreibungen von Orten reichen mir wenige Klischees, Christophorus z.B. steht auf ausufernde Beschreibungen. Immersion ist bei SoB in einem kleineren Rahmen möglich {0,25}, Online-DnD erinnert einen mit brennenden Ohren wegen der Kopfhörer, technischen Problemchen etc. aber auch häufig daran, dass man vorm Bildschirm sitzt {0,5}. Bei Fiasco guckt man häufig eher als Regisseur auf die Geschichte und Personen und versucht weniger aus ihrer Sicht zu agieren {0,25}. Fate sagt man ja nach, dass sich einige in ihrer Immersion gestört fühlen, weil auch einen Schritt zurückgetreten wird und man von außen drauf guckt. Ging mir nicht so. {0,25/0,5/1/1/0,25}
Dazu noch eine Anmerkung: eine Spielart, wo Immersion und Interaktion eine viel größere, dominantere Spaßquelle ist, ist das LARP. Da sitze ich gern auch zwei Stunden in der Taverne, zocke jemand beim Glücksspiel ab oder erzähl mit anderen Gästen.

Auswertung:
1. Dungeonslayers mit vollen 11 Punkten
2. DnD 5 online mit 8,5 Punkten
3. Shadow of Brimstone mit 8,25 Punkten
4. Fate Mindjammer mit 7,25 Punkten
und etwas abgeschlagen: 5. Fiasko mit nur 3 Punkten

Kurzum: SoB bedient bei mir ähnliche Spaßquellen wie Rollenspiel und kann immerhin Fate schlagen und Fiasko gar deutlich deklassieren – wobei ja durchaus diskutiert wird, ob letzteres wirklich ein RPG ist {Spaß macht es in jedem Fall}.

Trotzdem: Ich habe neulich einen Podcast gehört, die es nicht geschafft haben Descent von Rollenspiel abzugrenzen und in Folge dessen, es als Rollenspiel gezählt haben. Für mich gibt es da ein einfaches, aber entscheidenes Kriterium: Was passiert, wenn mein SC etwas ihm mögliches tut/tun würde, wenn er etwas macht, was so nicht in den Regeln steht. Bist Du in einem Rollenspiel, wird man höchstwahrscheinlich herleiten aus dem vorhandenen Regelsatz, was passiert {einige kennen dafür ja auch regeln, z.B. das Regeln über die Kampfmanövermechanik bei PF, wenn es im Kampf ist}. Bist Du in einem Brettspiel, wird das nicht funktionieren – oder Du sitzt bei einem eher schlechten SL am Tisch.

Um nun die Frage zu beantworten: Ja, einige der Spaßquellen können Brettspiele sehr gut bedienen und keines liegt da soweit vorne wie Shadows of Brimstone. Trotzdem liebe ich Lösungen, die aus dem Rahmen ausbrechen, die kreativ sind, das ist ein wichtiges Element was ich vermisse. Sollte ich mich entscheiden, würde ich im Zweifelsfall eine gute Runde Old Slayerhand einer Runde Brimstone vorziehen. Werden in der OS-Runde einige Spaßquellen nicht bedient, könnte wiederum Brimstone den Vorzug bekommen.

Kurzum, ich bin froh, dass es beides gibt ;)

{C} Die Bilder zeigen alle Shadows of Brinstone-Produkte, ein Teil offiziell, ein Teil fanmade.

6 Kommentare

  1. Eine tolle Analyse, ich selbst habe Frage 1 nur aus dem Bauch heraus beantworten können. Nach dieser Eröffnung bin ich nun um so gespannter auf Teil 2.

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    1. Gefühlt bin ich mir nicht ganz sicher,ob ich noch ein bis drei Spaßquellen vergessen habe, bei Haptik hab ich z.B. überlegt. Oder sich andere teilweise überschneiden.

      Und beim Sichten der SoB-Fansachen hab ich sogar Regeln für taktischeren Kampf entdeckt, echt erstaunlich.was es da alles gibt.

      Im zweiten Teil wird es aber weniger ausführlich 😉

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    1. Ja, find ich aber auch nicht schlecht. Du hast „Handlungs- und Entscheidungsfreiheit.“ als Unterpunkt, ich hab das eher als ultimativen Unterschied aufgenommen. An sich bin ich aber sehr froh auf breiter Front Spaß aus RPGs, aber auch Brettspielen und Tabletops Spaß zu ziehen, Computerspiele und eRPG hinkt da deutlich hinterher. Auch dass sich Immersion einerseits leicht bei mir einstellt und andererseits nicht mein Absolutziel ist.

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