[Rezi] Star Wars – Am Rande des Imperiums (Grundregelwerk)

Nach Star Wars d6, d20 und dem Saga-System ist Am Rande des Imperiums von FFG, auf Deutsch von Heidelberger schon die vierte Version eines Rollenspiels zur vielleicht beliebtesten SciFi-Welt. Am Hardcover auf 448 Seiten für 49,95 Euro fällt schon beim Durchblättern auf, das einiges in neue Grafiken investiert wurde, für die sich über 50 (!) Illustratoren verantwortlich zeichnen, was aber eigentlich erst in den Credits auffällt, da der Stil sehr einheitlich und durchgehend auf hohem Niveau ist.

Das Regelsystem benötigt eigene Würfel und nutzt dazu die Erfahrungen vom Warhammer 3-System, welches sich hier gestreamlined wiederfindet. Wie bei vielen klassischen Systemen gibt es sechs Attribute und etwa drei Dutzend Fertigkeiten. Nehmen wir als Beispiel eine Probe auf Überleben um ein wenig Nahrung nach einem Absturz zu finden. Wenn hier der Wert 2 und im Bezugsattribut List der Wert 3 beträgt, nimmt man sich soviele grüne Begabungswürfel, wie der größere Wert beträgt und tauscht dann soviele gegen die besseren gelben Trainingswürfel. Also hätten wir jetzt einen grünen und zwei gelbe. Hat der SC jetzt noch Vorteile auf seiner Seite, vielleicht ein Datenpad mit Beschreibung der Pflanzenwelt des Planeten oder befindet sich in einer besonders nährstoffreichen Umgebung, gibt der SL den sechsseitigen Verstärkungswürfel dazu. Kein langes Grübeln über +1,+2 oder +3-Bonus, das weiß zu gefallen, höchstens für wirklich sehr starke Vorteile mal zwei Würfel. Die Schwierigkeit der Probe wird über die lila Schwierigkeitswürfel festgelegt, von einem (einfach) über drei (schwierig) bis zu fünf (extrem schwierig), die werden ggf. bei vergleichenden Proben oder Aufwertungen noch gegen die „mächtigeren“ roten Herausforderungssymbole ausgetauscht. Für Nachteile, z.B. Suche im Dämmerlicht oder eine andere Gruppe hat den Bereich kürzlich abgegrast, gibt es den schwarzen Komplikationswürfel. Damit lassen sich insgesamt drei Symbolpaare erwürfeln. Erfolg und Fehlschlag entscheiden über das grundsätzliche Gelingen, auch über die Qualität. Bei einem Erfolg findet sich genug für ein SC für einen Tag, mit weiteren Erfolgen können weitere Personen versorgt oder Vorräte angelegt werden. Vorteil und Bedrohung sind das nächste Paar, hier könnten Vorteile z.B. ein paar unerwartete Heilpflanzen, Spuren intelligenter Einwohner oder eine Tierfalle sein, die man nun selber nutzen kann. Bedrohungen vielleicht eine unerwartete Nebenwirkung der Nahrung oder das Wetter schlägt um. Das letzte Paar ist dann Triumph und Verzweiflung, welches besonders starke Ereignisse (im Kampf z.B. Krits und Waffe kaputt) auslöst und nur auf dem gelben bzw. dem roten Würfel auftaucht. Beim Überlebenswurf könnte es das Finden eines Unterschlupfs, eines größeren Nahrungsvorrats oder hilfreichen NSC sein oder im Falle der Verzweiflung die Begegnung mit einem gefährlichen Wildtier, blutrünstigen Eingeborenen oder der SC gerät in eine Falle, die eigentlich für Tiere gedacht war. Kurzum, über die verschiedenen Symbolkombinationen sind unzählige unterschiedliche Ereignisse möglich, mit denen man die Geschichte weiterentwickeln kann – etwas Lust am Improvisieren gehört aber dazu. Etwas Bedenken gab es, dass man zuviel Zeit braucht die Ergebnisse auszulesen, aber beim Testspiel hatte jeder Spieler den Mechanismus nach drei, vier Würfen drauf und war in der Lage selbständig den Wprfelpool zu bilden und ihn fix auszulesen.

Das Kampfsystem benutzt für Kampfproben ebenfalls diesen Mechanismus, die Initiative wird über Coolness oder Wachsamkeit (übrigens ein geschickter Schachzug, um Geschicklichkeit von der Spielbalance her nicht übermächtig zu machen) einmal ausgewürfelt, je nachdem, ob die Gruppe überrascht ist oder vorbereitet. Alle SC und NSC(-gruppen) besetzen dabei einen Platz, der dann beliebig innerhalb der eigenen Gruppe genutzt werden kann – was mir bei Warhammer 3 schon gefallen hat und ein Gruppengefühl begünstigt. Das Reichweitensystem ist ebenfalls aus Warhammer 3 bekannt: es gibt Nahkampfreichweite, kurz, mittel, groß und extrem groß. Das Wechseln der Reichweite kostet zwischen den unteren drei immer ein, zwischen den oberen drei immer zwei Manöver – wobei man max. zwei Manöver pro Runde hat, z.B. durch die Aufnahme von Erschöpfung oder durch den Verzicht auf eine Aktion. Aktionen hat man eine, die man z.B. zum Schießen nutzen kann. Zuguterletzt hat man noch Nebenaktionen, z.B. ein paar Worte sagen oder etwas fallenlassen, hier gibt es keine Obergrenze, solange man es nicht übertreibt. Für das Umsetzen der Symbole gibt es eigene Tabellen, um Vorteile, Bedrohungen etc. schnell umzusetzen. Schaden geht direkt gegen die Wunden, ist hier das Limit erreicht, kippt man um und kassiert zusätzlich eine kritische Wunde. Diese werden mit einem W100 ausgewürfelt, je höher, desto schlechter für den Verletzten. Jede kritische Wunde und ggf. Sonderfertigkeiten erhöhen diesen Wert: über 135 können Attribute permanent sinken, ab 151 ist man direkt tot. Kassiert man Betäubungsschaden oder überanstrengt sich, geht das gegen das Erschöpfunglimit, welches einen ausknockt, bis man sich erholen kann. Rüstungen erhöhen im Normalfall die Absorbtion, können aber auch dem Gegner Komplikationswürfel einbrocken.

Der Fahrzeug- und Raumschiffkampf ist analog aufgebaut, mögliche Manöver, mit der auch der Rest der Gruppe außer dem Piloten sich einbringen kann, ist auch zur Hand. Erwähnenswert ist, dass die Reichweitenkategorien hier immer situationsbedingt ausgelegt werden. Bei einer Gleiterverfolgungsjagd kann „mittel“ für hundert Meter und mehr stehen, im Weltraumkampf zweier Sternenjäger hingegen für viele Kilometer.

Die Charaktere bei Am Rande des Imperiums teilen sich auf sechs Klassen (z.B. Kolonist,Kopfgeldjäger, Entdecker) auf, welche wiederum je drei Spezialisierungen haben (beim Kolonist z.B. Arzt, Gelehrter oder Politiker). Neben einem Satz von Fertigkeiten macht diese ein jeweils eigener Talentbaum aus, wie man ihn aus Computerspielen kennt. Diese weisen unterschiedliche Wege auf, die ein SC nehmen und sich damit individualisieren kann.

Eine Besonderheit in Star Wars sind die Verpflichtungen, z.B. schuldet man noch jemanden ein Gefallen, hat Schulden oder wird gesucht. Damit lassen sich die SC mit der Abenteuerhandlung verknüpfen oder passende Nebenhandlungen eröffnen. Für zusätzliche Verpflichtungen bekommt der SC mehr EP zu Beginn, mit denen er seinen SC baut. Je höher die Gruppenverpflichtung, desto tiefer sind sie in kriminellen Kreisen bekannt, je geringer desto weniger Probleme bei der Zollkontrolle. (Wer es gern genauer wissen will, den Mechanismus Verpflichtung habe ich hier en Detail vorgestellt.)

Motivationen zielen in eine ähnliche Richtung, sind allerdings systemmechanisch nicht ganz so fest integriert – allerdings winken Extra-EP beim Ausspielen der Motivation – ansonsten können sie ebenfalls zum Personalisieren von Abenteuern genutzt werden.

Eine weitere Sonderung ist das „In media res“-Prinzip, abgeschaut von den Filmen soll es mitten in der Handlung losgehen. Auch werden verkürzende Mechanismen angeboten, wenn der Kampf eigentlich durch ist, aber einige Gegner noch stehen und nicht fliehen wollen oder können. Generell wird betont, an der Action zu bleiben – eigentlich ein guter Gedanke, der sich von so manchem simulatorischen Ausspielexzessen abhebt.

Ein deutlicher Unterschied zu den bisherigen SW-RPGs ist das spezialisierte Setting – man spielt eben nicht wie in den bisherigen Star Wars-Rollenspielen eine bunte Mischung aus Jedi, Rebellen, Kopfgeldjägern und Schmugglern, sondern man spielt eben eine zwielichtige Existenz am Rande des Imperiums, die sich mit Schmugglerjobs und halblegalen Geschäften über Wasser hält. Entsprechend sind die Klasse ausgerichtet, aber auch der Fluff ist genau darauf ausgerichtet. Typische Organisationen, mit denen man zu tun bekommen könnte, werden vorgestellt, neben den Hutts und der Schwarzen Sonne auch diverse Organisationen des Imperiums ebenso wie das – mehr oder minder – bekannte Universum wird zwiebelschalenmodellmäßig abgehandelt, von den Kernwelten bis zum Äußeren Rand, wobei von jeder Region noch dutzende bekannte oder interessante Planeten vorgestellt werden – ebenso wie die Hyperraumrouten und vor allem, warum es sie gibt. Unterlegt wird das ganze noch mit Imgametipps eines gewissen Grinner, der einem erste Jobs besorgen kann und von daher einige Abenteueraufhänger liefert.

Es ist durchaus möglich auch in Am Rande des Imperiums einen Machtnutzer zu spielen, aber keinen Jedi – sondern in etwa das, was Luke in Episode IV so konnte.

Den Abschluss bildet das Abenteuer Nichts als Ärger. Mir gefiel es nicht ganz so gut wie das Netzabenteuer Im Schatten der Schwarzen Sonne und das Abenteuer der Beginner Box, weil die beide mitten in der Action einsteigen, aber fairerweise muss man auch sagen, dass beide auf vorgefertigte Charaktere zugeschnitten sind.

Die Regeln sind didaktisch gut aufgebaut, nur an einer Stelle wurde etwas vorweggenommen, was erst später erklärt wird und was mich zu wildem Blättern animierte. Die Regeln sind wesentlich schlanker und schneller als Warhammer 3, nicht ohne die Vorteile des Würfelsystems zu verlieren. Wo Warhammer nur einen bestimmten Spielertyp anspricht (zu dem ich mich durchaus zähle), gelingt es Star Wars wieder im Mainstream zu landen und verschiedene Spielertypen anzusprechen, insbesondere Gamisten als auch narritativ orientierte Spieler. Die Charaktererschaffung könnte übersichtlicher gestaltet sein, aber im Prinzip geht es Schritt für Schritt und spätestens beim zweiten Mal ist klar, wo man was findet. Die Vermarktungsstrategie mit drei eigenständigen Rollenspielen mit Am Rande des Imperiums, Arä der Rebellion und Jedi mag mancher kritikwürdig finden, ich persönlich glaube nicht, dass man auch nur einen cent weniger bezahlt hätte, wären es ein Grundregelwerk und drei Quellenbücher geworden. Da die Grundregeln selbst auf wenigen Seiten Platz finden, dürfte max 20%, eher weniger sich textmäßig wiederholen.

Fazit: Regeltechnisch wird ein interessantes System geboten, welches eine gute Synergie zwischen einem konventionellen System und neuen Ideen birgt. Der Settinghintergrund macht Lust auf mehr und lässt einem sehr tief ins Star Wars-Universum eintauchen. Und optisch ist das Teil ziemlich beeindruckend. Kurzum, kein Star Wars-Fan kommt hier dran vorbei. Leuten, die es erstmal selbst austesten wollen, sind mit der Beginner Box besser bedient, aber hier findet sich dann die gelungene Basis für die, die Star Wars längerfristig spielen wollen.

Weiterführende Links:

Rezi bei Bobas Teetime

GK-Podcast #14 zu Star Wars beta

Verpflichtungen und Schicksalspunkte en Detail

GK-Podcast #28 zu Star Wars (folgt in Kürze)

Das Rezimaterial wurde vom Heidelberger Spieleverlag zur Verfügung gestellt, dafür vielen Dank.