[Karneval] Kamingespräch mit Ragnar Schwefel (Thorwal Standard)

Mit dem Thorwal Standard war Ragnar Schwefel Macher eines der bedeutensten und einflussreichsten DSA-Fanzines neben dem Letzten Helden und brachte es auf 17 Ausgaben (alle online bei Orkenspalter verfügbar) – und auch offizielle DSA-Publikationen. Ich habe Ragnar per eMail im Rahmen des Fanzine-Karnevals (hier die Einladung und dort die gesammelten Artikel) interviewt.

GK: „Hallo Ragnar! Kannst Du Dich kurz dem Leser vorstellen?“

RS: „Moin, ich habe durch Freunde während des Studiums 1990 DSA kennen und lieben gelernt. In den folgenden 20 Jahren habe ich dann einen Großteil meiner freien Zeit mit Rollenspiel verbracht. Neben DSA hat mich vor allem noch Midgard 1880 fasziniert. Bald nach dem Eintauchen in die Spielwelt Aventurien hatte ich das Bedürfnis die Ideen meiner Spielrunde anderen mitzuteilen, weshalb ich den Thorwal Standard ins Leben rief, was schließlich dazu führte, dass ich später auch für das „offizielle DSA“ als Autor tätig war.“


GK: „Du hast 17 Ausgaben lang das DSA-Fanzine Thorwal Standard gemacht. Wenn ich mich recht erinnere, bestand das Heft aus mehreren regionalen Unterfanzines, war teils ingame und teils outgame. Kannst Du uns Dein Zine und das Konzept kurz vorstellen?

RS: „Nach dem Vorbild des Aventurischen Boten wollten wir die Mittelreichlastigkeit des offiziellen DSA Materials um die Perspektive unserer Liebingsregion erweitern. So wurde der Thorwal Standard als Zeitung in der Zeitung geboren. Mit der Zeit wurden daraus immer mehr aventurische Zeitungen: Der Darpatische Landbote, Söldner Heute, Der Wahre Bote. Dabei stand immer auch der Humor im Vordergrund, insbesondere bei den letzten beiden Publikationen. Da wir uns aber immer intensiver mit der Spielwelt beschäftigten und als dann auch Michelle zu unserem Team stieß, hatten wir so viele Ideen für Ergänzungen der Spielwelt, dass wir uns ab der Ausgabe 5 zum Ziel gesetzt hatten, dass sich die ingame und die outgame Teile möglichst ergänzen sollten. Und wie bei meinem Vorbild „Der letzte Held“ sollte das Material vor allem zwei Zwecken dienen: Spaß machen und/oder spielbar sein. Deswegen haben wir mit ganz wenigen Ausnahmen keinen irdischen Teil drin gehabt, also keine Fandom-Schau wie in vielen anderen Fanzines der Zeit.“

GK: „Was macht für Dich die Faszination Fanzine aus – oder anders: Warum hast Du Dir den Stress angetan?“

RS: „Ich bin mit 25 zwar ziemlich spät zum Rollenspiel gekommen, dafür aber gleich sehr tief eingetaucht. Ich habe bereits wenige Wochen nach Spielbeginn einzelne im Aventurischen Boten beworbene Fanzines bestellt, weil ich wissen wollte, wie andere Fans DSA und die Spielwelt sehen. Und angesichts der sehr durchwachsenen Qualität dieser Hefte dachte ich mir, unsere Ideen sind nicht schlechter und viele sehen das ganze viel zu verbissen. Deshalb gab ich dem Bedürfnis nach, unsere Ideen auch zu Papier zu bringen, aber das ganze eben mit dem Humor unserer Spielrunde zu würzen. Die Nummer 1 des TS war rückblickend ziemlich schlecht, aber der damalige Chef des AB, Norbert Venske, schickte uns eine nette Postkarte, in der er den TS lobte, was unser Team motiviert hatte direkt mit der Nummer 2 weiter zu machen. Ohne die Postkarte wäre unser Engagement wohl wieder erloschen. Später war es dann eine Kombination aus Motivin: Das Feedback war sehr gut, der Absatz nahm bis zur Ausgabe 10 ständig zu und unser Material fand Eingang in das offizielle DSA, das alles hat mir gefallen.“
GK: „Als Fanziner geht man ja vielen Tätigkeiten nach, Artikel schreiben, lektorieren, vielleicht auch illustrieren, mit den Mitarbeitern, Verlägen und Käufernkommunizieren, vielleicht gar selber am Kopierer stehen, oder den Vertrieb organisieren. Hast Du eine Art Lieblingstätigkeit?“

RS: „Die Basics habe ich nicht geliebt, also das Setzen, kopieren, der Vertrieb. Doch das wurde mit der Zeit ja eher leichter als schwerer. Dadurch dass der TS so erfolgreich war, lohnte sich später der Offset-Druck und den Vertrieb hat ab der 8. Ausgabe Pegasus für mich übernommen. Wirklich Spaß gemacht hat mir die eigentliche Herausgebertätigkeit: Kreative Menschen zusammen bringen, sie zu motivieren ihre Ideen aufzuschreiben und im TS zu veröffentlichen. Ich hatte mit Uli Kenter und später mit Michelle außerdem zwei sehr gute Chefredakteure, die ich auch als redaktionelles Gegengewicht brauchte, da nicht alle meine Ideen gut waren. Sie haben es geschafft, aus vielen guten Texten einen noch besseren Text herauszuholen.“

GK: „Wie sieht es mit einem Lieblingsartikel aus – egal ob ein eigener oder ein im Fanzine gelesener?“

RS: „Lieblingsartikel? Ich weiß nicht. Es gibt aber Fanzine-Artikel die Einfluss auf mich bzw. mein Rollenspiel hatten. So gab es im Falken z.B. mal einen Artikel über neue magische Tränke. Der Artikel ansich war eigentlich gar nicht mal so bemerkenswert, aber er hat mir die Idee gegeben, für unsere Spielrunde eine Tranktüte einzuführen: Es wurde die Wirkung eines Trankes auf einen Zettel geschrieben, darum kam ein Zettel in dem das Ergebnis der Trankanalyse stand und darum ein Zettel mit der Erscheinungsform des Trankes. Wenn die Spieler schließlich im Abenteuer drei Tränke fanden, griffen sie in die Tüte und zogen drei Tränke heraus. Das habe ich am meisten an Fanzines geschätzt: Einen großen Ideenfundus an die Hand zu bekommen, der die eigene Kreativität füttert.

Mein Lieblingsartikel war wohl das Abenteuer Myrkdag aus der Spielwelt. Mein Lieblingszine war „Der letzte Held„, der aber später schon sehr professionellen Charakter bekam.“

GK: „Du selbst hast bis 2010 bei DSA mitgearbeitet, u.a. bei „Unter dem Westwind“. Was unterscheidet den „offizielle“ DSA-Redaktionsarbeit von der eines Fanziners – und wie sehr war letztere nützlich?“

RS: „Die Fanzine-Arbeit war Voraussetzung und letztlich die beste Schule für die spätere Arbeit im offiziellen Aventurien. Letztlich bin ich bei meinen offiziellen Projekten aber nicht anders vorgegangen als bei meinen Fandom Aktivitäten. Ich habe Leute gesucht, von denen ich glaubte, dass sie ähnlich aventurisch ticken wie ich. Viele haben mich inspiriert und ein paar habe ich vielleicht auch selbst inspiriert. Insbesondere die Arbeit an Darpatien und Thorwal war jeweils nur möglich durch einige Leute aus der jeweiligen Briefspielszene, die für mich eine der besten Erfahrungen bei DSA war.“

GK: „Auf der Wiki-Aventurica hab ich entdeckt, dass Du auch Gastartikel in anderen Fanzines geschrieben hast, u.a. im DLH. Wo warst Du überall aktiv?“

RS: „Ich habe nur jeweils ein Stück veröffentlicht im DLH und im Kosch-Kurier. Ich erninnere mich auch noch an ein reines Rezi-Zine im DinA6 Format, für welches ich wohl auch Beiträge verfasst habe und dem ich beim Versand geholfen habe. Wegen des TS und der Arbeit im offiziellen Bereich hatte ich keine Zeit für mehr Engagement in dem Bereich. Schließlich war Rollenspiel mein Hobby und nicht nicht mein Broterwerb.“

GK: „Ich weiß nicht, ob Du Dich noch erinnerst an mich, sicher aber doch an den Fanzinestand 1999 auf dem FSF. Für mich der erste persönliche Kontakt ins Fandom. Wenn ich mich recht entsinne, hast Du den damals organisiert. Wie kam es dazu und welche Erlebnisse verbindest Du mit dem Event?“

RS: „Ich erinnere mich gut an das FSF und unseren Stand. In der Tat hatte ich mit Amigo seinerzeit einen Fandom-Stand vereinbart. Die Idee des FSF seinerzeit fand ich herausragend. Auch wenn sich einiges über die Verteilung in der ganzen Rothenburger Innenstadt verlaufen hat, hätte ich mir gewünscht, dass das Konzept weiter ausgebaut worden wäre. Doch insgesamt muss mal wohl sagen dass das FSF in eine Zeit fiel, wo die Bedeutung der Cons nach und nach abgenommen hat, so wie es nach meiner Einschätzung ab 2000 auch mit der Fanzine-Szene bergabab ging. Das Internet war der Totengräber.“

GK: „Wie waren allgemein Deine Kontakte und Verbindungen in die Szene?“

RS: „Von wenigen Ausnahmen abgesehen beschränkten sich meine Verbindungen in erster Linie auf DSA. Dort habe ich mit Niels Gaul z.B. die Einladungscons für die Briefspielszene ins Leben gerufen oder über Hannover-Spielt mit Michelle einen langjährigen DSA-Abenteuerwettbewerb ins Leben gerufen. Zur systemunabhängigen Rollenspielszene hatte ich nie wirklich einen Zugang. Ich war aber mal ein Jahr im Vorstand der GfR, wo ich mich aber auch überwiegend für DSA eingesetzt habe, weil die „vielen erwachsenen Rollenspieler“ doch sehr abfällig auf uns DSA’ler herabgeschaut haben..“.

GK: „Stichwort DSA-Briefspieler. Heute kennt das Phänomen kaum noch einer. Magst Du uns kurz erzählen, was man da so machte und inwiefern der Thorwal Standard davon profitierte, z.B. die Ingamezeitungen?“

RS: „Das DSA-Briefspiel entstand während der sogenannten Answinkrise und ich stieß kurz danach dazu. Anfangs noch buchstäblich per Brief und ab Anfang der 90er dann zunehmend per Mail haben sich Spieler mit der von der Redaktion angestoßenen politischen Entwicklung im Mittelreich beschäftigt und untereinander verabredet wie sich ihre Charakter in der Situation verhalten. Auf dem Weg habe ich dann auch schließlich meine Frau kennengelernt. Das Briefspiel in Verbindung mit den offiziellen Lehensvergaben durch Kiesow (und später die Redaktion), gab den engagierten Fans die Möglichkeit am offiziellen Aventurien teilzuhaben und andererseits eine weitere Form der Kreativität zu entwicklen. Ich habe durch das Briefspiel den Spaß an Geschichten gefunden, die ich zusammen mit Freunden gestaltete. Geschichten, die sich in den Metaplott Aventuriens einpassten und diesen im Idealfall sogar beeinflussten oder die in unseren Augen bessere Erklärungen für von der Redaktion gesetzte Ereignisse lieferten als die ursprünglich offiziell angedachten. Zusammen mit einigen Freunden gründeten wir das Darpatien-Briefspiel und haben die Familie von Rabenmund ausgestaltet und dies hat letztlich den TS ab der 5. Ausgabe zu dem gemacht was er dann wurde: das auflagenstärkste Fanzine im DSA-Bereich. Nach einigen Ausgaben hat dann die Zusammenarbeit mit dem Thorwal-Briefspiel den Darpatien-Teil ersetzt. Diese Arbeiten gingen in das offizielle DSA ein, was wiederum dem Erfolg des TS zugute kam. Im TS konnten wir Sachen austesten und Entwicklungen anstoßen. Und dazu dienten dann natürlich auch die Ingame-Zeitungen. Im Wahren Boten konnten wir z.B. Ingame über uns nicht gefallende Entwicklungen herziehen und den Verantwortlichen in der Redaktion durch die Blume unsere Meinung sagen.“

GK: „DSA 5 ist gerade erschienen! Hast Du reingelesen oder es gar gespielt – oder ist das Kapitel ad acta gelegt?“

RS: „Das Kapitel ist ad acta gelegt. Ich bin mit DSA 4 schon nicht warm geworden, musste es als Autor aber wohl oder übel einigermaßen studieren. Ich meistere noch manchmal für meinen Neffen nach DSA 2-Regeln, der mit 10 das DSA-Spielen angefangen hat. Manchmal reizt es mich, noch mal die alten unbeendeten Geschichten um die Familie Rabenmund wieder hervorzuholen. Aber ich bin keine „Solospieler“. Ich brauche ein Team, um kreativ zu sein.“

GK: „Wenn Du heute nochmal ein Fanzine machen würdest, was würdest Du anders machen – oder würdest Du gleich auf ein anderes Medium (Blog, Podcast,…) setzen?“

RS: „Ich hatte bereits 1997 angefangen, den TS auch über das Internet verfügbar zu machen. Doch für mich war das Internet kein taugliches Medium für Fan-Arbeit. Ich bin dafür zu altmodisch. Ich brauche etwas Gedrucktes in meinen Händen, eine Redaktionsdeadline, das Feedback. Das alles ist in dem Maße über über das Internet nicht gegeben. Blogs und Podcast mögen das Medium der Zeit sein, aber es sind nicht meine Medien. Wie es schon im Impressum des TS stand: Kritik von außen ist nett. Wir weisen aber vorsorglich auf eine ausgeprägte Altersverstocktheit der gesamten Redaktion hin.
Das Gefühl des Stolzes, wenn man die fertige neue Ausgabe in seinen Händen hält… Ich bin sicher, dass die heutige Online-Szene andere Kicks hat, aber es sind nicht meine. Der Höhepunkt der gedruckten Rollenspiel-Fanzines war von Mitte der 80er bis zu den späten 90ern. Ich erninnere mich noch an Timos „Fanzine-Verlag“. Ich weiß, dass sich einige in der Szene damals über ihn lustig gemacht hatten (ich sage nur „Bestellnummern“), aber ich fand die Idee (die ursprünglich glaube ich auf Rainer Kriegler zurückging) super und der TS 3 wurde auch auf diesem Weg vertrieben.

Sollte ich jemals wieder „Fan-Arbeit“ machen, würde ich wohl wie beim TS 17 vorgehen. Ein Heft fertigstellen und es über Orkenspalter o.ä. Plattformen online vertreiben.“

GK: „Als letztes ein Tipp für angehende Jungfanziner! Welche Weisheit kannst Du ihnen mit auf den Weg geben?“

RS: „Gibt es wirklich noch Jung-Fanziner? Nun denn: Team-Arbeit, Leidenschaft und selbstkritische Reflektion, ob dass, was man da in ein Heft packt wirklich mehr als die eigene Spielrunde interessieren könnte.“

GK: „Vielen Dank für Deine Zeit und Deine Einblicke und Erinnerungen, Ragnar!“

Linkliste
Ragnar Schwefel bei Wiki Aventurica
Thorwal Standard bei Wiki Aventurica
Thorwal Standard-pdf-Download bei Orkenspalter
Ragnar Schwefel bei Vinsalt.de


 

 

7 Kommentare

  1. Danke für das nette Interview. Dank auch an Ragnar und seine Mitstreiter für die „Belebung“ einer ganzen aventurischem Region. Das Material hat mich dazu inspiriert, eine große, mehrjährige Thorwalkampagne zusammenzustellen und zu meistern.

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