Das nerdige Quartett rät: Rollenspiele

Ein Jahr ist seit der letzten Weihnachts-Tipps-Aktion des nerdigen Quartetts vergangen – Zeit genug also, das Ganze zu wiederholen, um euch mit brandneuen Anregungen für Geschenke zu versorgen. Wieder haben sich Gloria von Nerd-Gedanken, André vom Würfelheld und Philipp von Nerds-gegen-Stephan und meine Wenigkeit zusammengetan, um euch unsere Favouriten aus vier nerdigen Themengebieten zu präsentieren.
Hier die Aufteilung der vier Adventssonntage im Überblick:
Ob ihr davon was verschenkt oder euch selbst den einen oder anderen verschneiten Winterabend damit versüßt, liegt ganz bei euch. Viel Spaß mit unseren Vorschlägen zum Thema Rollenspiel!
Den Anfang macht Gloria.
Coriolis
Wenn man die Stimmung von tausendundeiner Nacht, Firefly und Pioniergeist miteinander in einen Topf wirft, eine Schaufel Science Fiction hinzugibt und das ganze mit einer Prise Mystizismus würzt, kommt ein Rollenspiel wie „Coriolis“ dabei heraus, das einfach mal einen ganz anderen Ansatz an Weltenbau verfolgt und gerade Pen&Paper-Runden mit starkem Storyfokus verzaubert. Besonders gelungen finde ich den Ansatz eines Gruppenkonzepts, bei dem die beteiligten Spieler einen Rahmen und dadurch auch Aufgaben und mögliche Feinde für ihr Gruppenspiel gemeinsam festlegen. Als Spielleiter greift man in einen riesigen Kasten voller Möglichkeiten, der durch ein nicht zu kompliziertes Würfelsystem ergänzt wird. Mein Überraschungskandidat aus dem Jahr 2018 und das Produkt einer rundum erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne des Uhrwerk-Verlags.
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Wer sich stundenlang in XCOM und XCOM 2 am PC verlieren konnte, sollte in die rollenspielerische Entsprechung des ebenfalls im Uhrwerk-Verlag erschienenen ‚Aliens versuchen die Erde zu übernehmen‘ Szenarios ebenso eintauchen. Hier warten außergewöhnliche Rassen, reichlich knorrige NPCs und eine abwechslungsreiche Gesamtkampagne auf euch, die euch auch unter Wasser führt und neben einem hohen Actionfaktor auch taktisches Verständnis von euch verlangt. Die Kampfregeln sind zwar gewöhnungsbedürftig, erlauben aber eine sehr feinteilige Ausstattung eurer Charaktere. Besonderes Schmankerl: ich hatte das Vergnügen, am Ergänzungsregelwerk „Schrecken aus der Tiefe“ mitzuwirken – wenn ihr euch durch die darin enthaltene Kampagne spielt, bekommt ihr es mit meinen Ideen zu tun!
Verax – Das Experiment
Aller guten Dinge sind drei – noch mehr Science Fiction erhaltet ihr im Spielebuch von Jörg Benne, der euch in der Gestalt zweier sehr unterschiedlicher Helden auf einer geheimnisvollen Raumstation stranden lässt, auf der Spacezombies, skrupellose Wissenschaftler und durchgedrehte Trooper ihr Unwesen treiben. Je nach euren Entscheidungen und den Fähigkeiten des gewählten Charakters erlebt ihr sehr unterschiedliche Geschichten, dadurch ist auch der Wiederspielwert recht hoch. Hier wartet spannende und gut geschriebene Unterhaltung wartet auf über 600 Seiten, das faire Kampfsystem lässt auch Leser mit Würfelpech nicht wirklich verzweifeln. Wenn ihr mal ein Spielbuch ausprobieren wollt, ist „Verax“ ein guter Einstieg, Veteranen dürften am ungewöhnlichen Szenario ebenfalls ihren Spaß finden. Meine Erfahrungen findet ihr übrigens hier in der Rezension zum Spielebuch.
Philipp hingegen empfiehlt:
New Hong Kong Story
Was haben Rollenspiele und asiatische Actionfilme gemeinsam? Beide haben ein enthusiastisches, aber im Verhältnis doch eher nischiges Publikum. Wer sich aber für beide Themen begeistern kann, sollte sich mal das cineastische Action-Rollenspiel „New Hong Kong Story“ anschauen, in welchem man sich sowohl in verschiedensten Filmen als auch auf dem roten Teppich beweisen muss… Man spielt einen Asia-Filmstar (vom (pseudo-)historischen Kostümschinken bis hin zur modernen Gangsterballade ist alles möglich), den man vom C-Promi-Nachwuchsschauspieler bis hin zum gefeierten Filmpreisgewinner auflevelt. Das ist dank sehr klassischer Regeln eigentlich gar nicht schwer, trotzdessen wirkt der erste Blick ins 334 Seiten dicke Regelwerk recht einschüchternd. Einerseits hätte man die Regeln und die Charaktererschaffung noch ein wenig strukturierter präsentieren können, andererseits wird man fast schon erschlagen von allen möglichen Vor- & Nachteilen, Fähigkeiten und Kampftechniken (alles zusammen komme ich auf deutlich über 200) – „New Hong Kong Story“ ist ein Liebhaberprojekt für rollenspielende Asiafilm-Nerds und das zeigt es auch unverhohlen auf jeder einzelnen Seite. Und das ist gut so, denn wenn man die erste Einschüchterung überwunden hat, merkt man erst einmal, wie viel Herzblut hier eigentlich drin steckt. Spannende Informationen zur asiatischen Filmwelt, deren Drehorte und zu verschiedensten Material Arts-Techniken sowie über 100 Filmbesprechungen runden den positiven Gesamteindruck ab.
Dread
„Dread“ ist ein primär auf OneShots ausgelegtes Erzählrollenspiel im Horror-Genre, welches komplett ohne eine klassische randomisierende Spielmechanik (also z.B. Würfel oder Karten) auskommt. Stattdessen zieht man Steine aus einem „Jenga“-Turm – Fällt er nicht um, hat man die Probe geschafft. Fällt er jedoch um, ist der Charakter tot oder wahnsinnig oder sonstwas, jedenfalls aber raus aus dem Spiel. Das klingt jetzt total simpel und das ist es auch ;D Die Charaktererschaffung unterscheidet sich stark von anderen Rollenspielen, da es in „Dread“ keine Attribute oder Eigenschaften gibt. Stattdessen füllt man rund ein Dutzend individueller Fragen aus, welche den Charakter definieren. Das können natürlich besondere Fähigkeiten sein, aber auch geheime Ängste und Motivationen sowie besondere emotionale Verbindungen zu den MitspielerInnen. Logisch, dass solch gut ausgearbeiteten Charaktere in einem Erzählspiel dann die Handlung fast ganz von alleine tragen 🙂 „Dread“ ist eines dieser Rollenspiele, deren Spaßfaktor man erst richtig begreift, wenn man sie selber ausprobiert hat. Denn so simpel die „Jenga“-Mechanik auch ist, sie ist durchdacht und sorgt für unverhoffte Spannung.
Ein ruhiges Jahr
Ein Malerei-Erzählspiel, was soll denn das sein??? Ganz einfach gesagt: Ein Erzählspiel, bei dem man ziemlich viel malt 😉 Aber fangen wir mal ganz von vorn an: In „Ein ruhiges Jahr“ verkörpern die SpielerInnen eine Gruppe Überlebender, die versuchen, eine neue Zivilisation aufzubauen. Dafür haben sie bis zu einem Jahr Zeit, dann kommen die Frosthirten und das eigentliche Spiel endet… Die SpielerInnen übernehmen dabei gleich zwei Rollen. Interessanterweise (und eher Erzählspiel-untypisch) ist keine dieser beiden Rollen die einer konkreten Person. Stattdessen ist man einerseits so eine Art Aufbaustratege, der sich aus der Vogelperspektive um das Wohlergehen der Überlebenden bemüht. Und andererseits verkörpert man sozusagen die Spielleitung, die neue Probleme, Herausforderungen und Handlungsverläufe ins Spiel bringt. Klingt ungewöhnlich? Ist es auch 😛 Wie man hier an einem Abend den Aufstieg und Fall eines postapokalyptischen Dörfchens erzählerisch begleitet, das hat seinen ganz eigenen Reiz. Aber, und das sei in aller Deutlichkeit gesagt, man muss sich mit diesem ungewöhnlichen Regelkonzept anfreunden können!
Nun habe ich gesehen, dass meine geschätzten DNQ-Kolleg*innen (genau wie ich) vor allem Rollenspiel-Grundregelwerke empfohlen haben. Aber für mich persönlich sind gerade gut geschriebene Abenteuer das Salz in der Suppe, daher möchte ich exemplarisch noch dieses Kleinod hier empfehlen:
Splittermond: Mondsplitter #5 Im Rücken des Feindes
Eines der großartigsten Produkte, die der „Uhrwerk Verlag“ je auf die Spielerschaft losgelassen hat, ist die überaus gelungene „Splittermond“-Einsteigerbox. Aber dabei wollte man es nicht belassen – Und so veröffentlichte der Kölner Verlag mit der „Mondsplitter“-Reihe nach und nach weiteres Spielmaterial für seine Einsteigerbox. Das nunmehr fünfte Abenteuer trägt den Namen „Im Rücken des Feindes“ und bietet eine für SpielleiterInnen rasch vorzubereitende, an einem Spieleabend durchführbare Einbruchsmission inklusive epischer Endschlacht 🙂 Die Geschichte unterteilt sich in vier Kapitel (Auftragsvergabe in „Einstieg im Schlamm“, Infosammlung in „Spuren der Umgebung“, Einbruchsplanung in „Wege in die Burg“ sowie die Endschlacht in „Die Schlacht um Lauwaban“), welche wiederum aus zwei bis vier Einzelszenen bestehen. Lobenswert ist dabei, dass durch die verschiedenen Möglichkeiten auch Heldengruppen beziehungsweise einzelne Charakterklassen, deren Fokus normalerweise nicht auf Schleichen und Einbrechen liegt, ihre Spotlight-Momente bekommen können. Hilfreich für den Spielfluss ist dabei sicherlich auch, dass der Autor Mike Krzywik-Groß einige Stellschrauben anbietet, um den Schwierigkeitsgrad des Abenteuers an die Gruppenbedürfnisse anzupassen. Um es kurz zu machen: „Splittermond: Mondsplitter #5 Im Rücken des Feindes“ ist ein gelungenes, abwechslungsreiches OneShot-Abenteuer. Selbst EinsteigerspielleiterInnen sollten es hiermit problemlos schaffen, eine Heldengruppe einen Spieleabend lang hervorragend zu unterhalten 🙂
André ergänzt:
NoReturn
Mir als alten Cyberpunk- und Shadowrun-Spieler ging bei der Lektüre und dem Spielen dieses Settings echt das Herz auf. Das Regelsystem kommt einen dabei „bekannt“ vor, weil es nicht die Neuerfindung des Rades ist, aber genau daher auch ein gewisses Oldschooliges punkiges Feeling mit sich bringt.
Seelenfänger: Täuscherland
Ja ich empfehle es – denn am Regelwerk selbst, habe ich nicht mitgewirkt, das waren anderen Aufgaben für dieses Setting. Dadurch aber habe ich Jörg Kösters RPG aber schätzen gelernt. Ein tolles Dark Fantasy welches eine Menge fieser Überraschung parat halten kann und genügend Freiraum gibt. Tolles RPG!
Alice im Düsterwald (Spielbuch)
Der Mantikore Verlag ist für seine Fantasy Spielbücher bekannt. Nun wirds fast märchenhaft. Schließlich treffen wir auf Alice. Genau, die aus dem Märchen bzw. Film. Aber neue es ist nicht das bekannte Abenteuer welches es zu bewältigen gilt, sonder ein düsterer zweiter Versuch. Kauf und erleben. Einfach gut.
Zuguterletzt noch meine drei Empfehlungen:
Dungeons and Dragons 5
Das beste D&D aller Zeiten? Für mich tatsächlich schon. Nach der für mich enttäuschenden vierten Edition nahm man das beste aus der dritten, vierten und mischte einiges aus der OSR dazu und bekommt eine gut spielbare, oldschoolige, übersichtliche Variante ohne an alte Seltsamkeiten der frühsten Editionen anzuknüpfen. Mit dem Hintergrundblock wird der SC zudem noch gelungen individualisiert und Vor- und Nachteilswürfel geben Licht im Boni-Dschungel.
Dungeonslayers
Der Klassiker. Für 25 Euro erhälst Du eine tolle Einsteigerbox mit allem drum und dran und zugleich ein vollwertige Box, die zum Ende Deiner Rollenspielkarriere reichen dürfte. Sie ist der Schlüssel zum Slayerverse, Dutzenden von Onepages, Fanwerken, Abenteuer, Monstern, Encountern und natürlich weiteren Welten wie Gammaslayers, Starslayers, Zombieslayers, Slayerzombies, Old Slayerhand …
Der Schatten des Dämonenfürsten
Ehrlicherweise bin  ich noch mittendrin, aber mir gefallen die Designansätze einfach zu gut. 10 Stufen, 10 Sessions, dann ist die Kampagne durch. Kurze, abendfüllende Abenteuer. Dazu die warhammereske Welt, die grandiosen Cover und der begleitende Erklärpodcast – vielleicht das ideale Feierabendspiel.